Die Gefangennahme Luthers

Am 26. April 1521 verließ Luther mit seinen Freunden Justus, Jonas und Nikolaus von Amsdorf und einigen anderen Begleitern Worms.

Der Reichsherold Caspar Sturm geleitete die beiden Reisewagen und war Garant des zugesicherten freien Geleits. In Frankfurt/Main erreichte Luther die geheime Weisung des sächsischen Kurfürsten, die ihn auf besondere Ereignisse während der Rückreise vorbereitete. Das geht aus einem Brief Luthers an seinen Freund Lucas Cranach in Wittenberg hervor. Überall auf der Fahrt jubelte man Luther zu. Abt Crator von Hersfeld empfing ihn mit Eskorte. Über Berka/Werra ging es nach Eisenach, wo ihn die Bewohner seiner „lieben Stadt“ herzlich empfingen. Am 3. Mai predigte er trotz der Bedenken des Pfarrers in der Georgenkirche. Am gleichen Tag besucht Luther noch seine Verwandten in Möhra und predigte auf dem Dorfplatz unter der Linde. Am Nachmittag des 4. Mai begleiteten ihn seine Verwandten nach Altenstein, von wo die Reise über Schweina, Waltershausen nach Gotha weitergehen sollte. Als der Wagen zwischen Windsberg und dem Weißenberg dahin rollte, sprangen plötzlich vier Reiter aus dem Wald und führten Luther davon, der seine hebräische Bibel und das griechische Testament an sich presste. Amsdorf, sein Begleiter, in den Anschlag eingeweiht, rief zum Schein um Hilfe. Inzwischen hatten die Entführer Luther auf ein Pferd gesetzt und ritten mit ihm Richtung Eisenach.

Die Stelle des Überfalls ist übrigens genau bekannt. Sie liegt eine halbe Stunde von Steinbach im heutigen Luthergrund und ist durch einen zehn Meter hohen Obelisken gekennzeichnet, den Herzog Bernard II. von Sachsen-Meinigen errichten ließ.

Gegen Mitternacht polterte der Reitertrupp über die Zugbrücke der Burg. Burghauptmann von Berlepsch empfing Luther. Er alleine kannte seine Identität und war für die Sicherheit des Schutzhäftlings verantwortlich.

Die Verwandlung des Mönchs in einen Ritter begann, der sich nach dem Schutzheiligen der Stadt Eisenach „Junker Jörg“ nannte. Lange Haare verdeckten die Tonsur, ein struppiger Bart wucherte, die Mönchskutte wurde gegen einen Ritterwams eingetauscht. Während die Anhänger um ihn bangten, lebte er geborgen und gut behütet. Inzwischen war er durch das Wormser Edikt vom 25. Mai 1521 in die Reichsacht gefallen und für vogelfrei erklärt. Vom 12. Dezember 1521 bis zum 1. März 1522 übersetzte Martin Luther die Bibel in die deutsche Sprache. Zu Beginn 1522 sah Luther durch verschiedene Ereignisse seine Lehren bedroht und war nicht mehr auf der Wartburg zu halten. Am 1. März verließ er sein Refugium in Richtung Wittenberg.

Karl Heinz Dietze

Dem Papsttum empfindlich an die Tiara gegriffen

Die Kunde vom Anschlag der 95 Thesen gegen den Missbrauch des Ablasshandels am 31. Oktober 1517 breitete sich wie ein Lauffeuer aus. „Als ob die Engel im Himmel Botenläufer gewesen wären.“ Doch Luthers Vorgesetzte reagierten nicht und hüllten sich in Schweigen. Die Ablassprediger sahen sich plötzlich überall skeptischen Menschen gegenüber, und ihre Einnahmen sanken bedenklich. Nun reagierte die Katholische Kirche Roms. Über den Ordensgeneral der Augustiner versuchte man Luther zum Schweigen zu bringen: vergeblich.

Auf dem Dominikanerkonvent 1518 in Frankfurt/Oder führte der Ablasshändler Tetzel das große Wort und legte 106 Gegenthesen gegen Luthers Ansichten vor. Als ein Buchhändler in Wittenberg das Machwerk verbreiten wollte, wurde er von Studenten verprügelt und aus der Stadt vertrieben. Luthers Thesenanschlag hatte eine Bewegung angefacht, vor der er selbst erschrak.

Ohne es zu ahnen, hatte er dem Papsttum an die Tiara gegriffen und das Angriffszeichen gegen die römische Kirche gesetzt. Rom reagierte nun schärfer. Eine Vorladung zum Generalkapital der Augustiner nach Heidelberg erfolgte mit dem Ergebnis, dass Martin seine Argumente überzeugend darlegte und neue Anhänger gewann.

Der Kurfürst von Sachsen versichert ihn seines Schutzes. Am 7. Oktober 1518 befand sich Luther in Augsburg, wo er sich einer Befragung des päpstlichen Legaten Cajetan unterzog. Ziel der Aussprache war es, Luther zum Widerruf seiner Ansichten zu bewegen. Ohne Erfolg, selbst bei Androhung des Kirchenbannes. Heimlich verließ Luther die Stadt, denn man hatte ihn vor einer drohenden Haftung gewarnt. Seither entfaltete Luther eine rege literarische Tätigkeit. „Wenn ich schreibe, so fließt mir’s nur so zu, ich brauch nicht zu pressen und zu drücken.“ Es erschienen Schriften über Ehe, Gebet, Taufe, Wucher, Buße und Abendmahl. In der Schrift „An den christlichen Adel deutscher Nation“ entwarf er das Bild seines Staatswesens, das sich von der Vormundschaft Roms befreit hat und traf damit nicht nur die Adelsinteressen, sondern auch die des Bürgertums. Die Reformation wurde zu einer europäischen Angelegenheit. Papst Leo X. ließ Martin Luther 1520 die Bannandrohungsbulle überbringen. 60 Tage wurden ihm als Frist für einen Widerruf gegeben. Im Dezember 1520 verrannten in Wittenberg vor dem Elstertor Studenten und Magister verschiedene päpstliche Schriften. Luther warf die päpstliche Bannandrohung in die Flammen. Am 3. Januar 1521 wurde über ihn der Kirchenbann verhängt. Für 1521 hatte Kaiser Karl V. zum ersten Reichstag seiner Regierungszeit nach Worms eingeladen. Die Reichsstände forderten die Vorladung Luthers zwecks Anhörung vor einer Verurteilung durch die Krone. Per Rollwagen reiste Luther nach Worms, das am 16. April erreicht wurde. Mehrmals musste Luther vor Kaiser und Reichsständen auftreten, mit dem Ziel, Widerstand zu erlangen, den Luther standhaft mit den Worten verweigerte: „Daher kann und will ich nicht widerrufen, weil wider das Gewissen etwas zu tun weder sicher noch heilsam ist. Gott helfe mir, Amen.“ Einige Chronisten vermeldeten, das hier die berühmten Worte: „Hier stehe ich, ich kann nicht anders“ gefallen sind. Luthers enormer persönlicher Mut und die ihm aus Glauben erwachsende Kraft machten ihn zum Helden.

Karl-Heinz DIETZE