Herkunft

Luthers Eltern waren der Bauer, Bergmann, Mineneigner und spätere Ratsherr Hans Luder (1459-1530) und dessen Ehefrau Margarethe, geb. Lindemann (1459-1531). Luther wurde als ihr erster oder zweiter Sohn in Eisleben (Sachsen-Anhalt) geboren. Am folgenden Martinstag (11. November 1483) wurde er auf den Namen des Tagesheiligen getauft. Er wuchs im benachbarten Mansfeld auf, wo der Vater als Hüttenmeister im Kupferschieferbergbau bescheidenen Wohlstand erwarb. Beide „Lutherstädte“ liegen im Landkreis Mansfelder Land und hatten damals einige tausend Einwohner. Luther erfuhr eine damals normale, strenge väterliche, aber auch liebevolle Erziehung. Seine Eltern waren kirchentreu, aber nicht übermäßig fromm. Von 1488 bis 1497 besuchte er die Mansfelder Stadtschule und danach für ein Jahr die Magdeburger Domschule. Dort unterrichteten ihn die Brüder vom gemeinsamen Leben, eine spätmittelalterliche Erweckungsbewegung. 1498 schickten ihn die Eltern auf das Franziskanerstift Eisenach, wo er eine musikalisch-poetische Ausbildung erhielt. Er galt als sehr guter Sänger.

Studium

Von 1501 bis 1505 studierte Luther an der Universität Erfurt in Thüringen und erhielt den „Magister Artium“ der philosophischen Fakultät: Dazu gehörte eine Grundausbildung auf Latein in den Fächern Grammatik, Rhetorik, Logik, Ethik und Musik. Hier erwarb er sich eine genaue Kenntnis der Lehren des Aristoteles, die seit Thomas von Aquin die mittelalterliche Scholastik beherrschten, aber in Erfurt bereits in der Kritik des Nominalismus standen. — Auf väterlichen Wunsch begann Luther nach seiner Promotion ein Studium der Rechtswissenschaften. Doch am 2. Juli 1505 wurde er nach dem Besuch seiner Eltern in Mansfeld auf dem Rückweg nach Erfurt bei Stotternheim von einem schweren Gewitter überrascht, hatte Todesangst und rief zur Heiligen Anna, der Mutter Marias: Heilige Anna, hilf! Lässt Du mich leben, so will ich ein Mönch werden. Weshalb der junge Luther gerade dieses Gelübde ablegte und dann einen kirchlichen Lebensweg einschlug, erklärt sich weder aus seiner Erziehung noch seiner Todesangst ganz.[1] Jedenfalls trat er am 17. Juli 1505 gegen den Willen seines Vaters in das Kloster der Augustinereremiten in Erfurt ein.[2]

Hier übte er die Ordensregeln in vorbildlicher Strenge, so dass er schon am 27. Februar 1507 zum Priester geweiht wurde. Trotz täglicher Bußübungen litt Luther große Gewissensqualen. Seine Hauptfrage war: Wie kriege ich einen gnädigen Gott? Die Frage entzündete sich nicht an Missständen der kirchlichen Praxis, sondern am Sakrament der Buße, deren Vorbedingung die aufrichtige Reue aus Liebe zu Gott, nicht Angst vor Gottes Bestrafung, und die Beichte aller, auch der heimlichsten, einem selbst unbewussten Sünden war. Luther nahm diese Forderungen sehr ernst und stürzte deshalb in verzweifelte Heilsungewissheit darüber, ob er diese Voraussetzung erfüllen könne oder aber mit einer ungültigen Absolution ewige Verdammnis auf sich ziehen würde. Er erfuhr seine Unfähigkeit, aus Liebe, nicht Angst, Gottes Forderungen zu erfüllen, so dass er auch an der zugesagten Vergebung zweifelte.[3]

Sein Beichtvater Johann von Staupitz, der Generalvikar der Kongregation, empfahl Luther daraufhin für ein Theologiestudium und versetzte ihn dazu 1508 nach Wittenberg. In der dortigen Klosterschule lernte er die Theologie Ockhams kennen, der Gottes Freiheit ebenso wie die menschliche Willensfreiheit betonte, dazu die Kirchenväter, vor allem – vermittelt durch die „Sentenzen“ des Petrus Lombardus – Augustin. Ein Jahr darauf promovierte er auch zum baccalarius biblicus (Professor der Bibel), der Griechisch und Hebräisch beherrschte, und hatte nun neben Moralphilosophie auch biblische Fächer zu lehren.

1510 reiste Luther nach Rom, um im Auftrag seines Erfurter Konvents, in den er inzwischen zurückgekehrt war, gegen die von oben befohlene Vereinigung der strengen „Observanten“ mit den liberaleren Augustinerklöstern zu protestieren. Er nahm an einer Generalbeichte teil und rutschte auf dem Bauch die „Heilige Treppe“ am Lateran hinauf, um Sündenvergebung für sich und seine Verwandten zu erlangen. Er zweifelte also damals noch nicht an der römischen Bußpraxis, war aber schon entsetzt über den Unernst und Sittenverfall, die ihm in Rom begegneten.

1511 holte Staupitz ihn erneut nach Wittenberg und machte ihn 1512 als Doktor der Theologie zu seinem Nachfolger. Mit dem thomistischen Gedanken, dass sein Gewissensleiden von Gott selbst hervorgerufen sei, um wahre Demut in ihm zu wecken, konnte er Luthers Gewissensnot lindern, aber nicht lösen. Dennoch hielt ihre Freundschaft bis zu Staupitz‘ Tod 1524 an.

In den folgenden Jahren hielt Luther Vorlesungen über die Psalmen und Paulusbriefe, von denen einige Originalmanuskripte oder wörtliche Kopien erhalten geblieben sind. Daran kann man seine Entwicklung zum Bruch mit den römisch-katholischen Lehren im Detail nachvollziehen. Er folgte anfangs noch dem Schema des „vierfachen Schriftsinns“ und deutete das Alte Testament allegorisch auf Christus. Dabei hielt er sich an die überlieferte Bibeldeutung des Ockhamismus, Neuplatonismus, der Mystik oder der „Devotio moderna“, formte sie aber bereits ganz auf den Glauben des Einzelnen hin um. Dessen auswegloser Verlorenheit stellte er schon die unmittelbare Gnade Gottes gegenüber, noch ohne über deren Vermittlung durch Kirche und Sakramente nachzudenken. Themen wie das Papsttum und die Jungfrauengeburt spielten hier bezeichnenderweise noch keine Rolle.